Vom 20.-22.März trafen wir uns in Wiesbaden zum diesjährigen „COME TOGETHER“, mit ca 120 Erwachsenen, 43 Kindern, 3 medizinischen Fachreferenten aus der aktuellen Alopecia-Forschung und diversen Workshop-Ausrichtern sowie Perücken-Ausstellern.
Freitag:
Zum Kongress des Jahres 2015 trafen wir uns vom 20.-22.März in der erst 2013 modernisierten Jugendherberge der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden. Sie verfügt über Tagungstechnik auf dem neuesten Stand, liegt verkehrstechnisch sehr günstig, fast mitten in der Stadt, und bot gleichzeitig besonders den jungen Energiebündeln unter den Teilnehmern genügend Auslauf auf einem großzügigen Freizeitgelände. Dieses wurde auch gleich von allen am Freitag angereisten Kindern und Jugendlichen ausgiebig genutzt, um sich spielerisch kennenzulernen.
Die Erwachsenen trafen sich nach einem gemeinsamen Abendessen in einer offiziellen großen Kennenlernrunde, die sich aber bald spontan in mehrere Gesprächsgruppen aufteilte. In lockerer Atmosphäre tauten so auch die vielen neuen Teilnehmer sehr schnell auf und öffneten sich für einen ersten Austausch von Sorgen, aber auch Hoffnungen.
Samstag:
Nach einem stärkenden Frühstück traf sich um 9.30 Uhr eine große Schar von 43 Kindern und Jugendlichen samt ihrer Eltern im Foyer; es stand der Tagesausflug zum Schloss Freudenberg auf dem Programm. Um eine verantwortungsvolle Betreuung zu gewährleisten wurden die BetreuerInnen Diana, Heidi, Kai, Nathali, Martin, Nico und Philipp vorgestellt. Danach wurde der aufgeregte “Flohzirkus“ in feste Kleingruppen eingeteilt. Auch einige Elternteile machten sich zusätzlich mit auf den Weg.
Per Linienbus ging es dann zu dem unbekannten Schloss am Stadtrand. Dort gab es keine herumspukenden Geister, sondern eine Menge „gute Geister“, die eine Art Werkstatt der Sinne betreiben. Über mehrere Etagen verteilt ist das Innere des Gebäudes, sowie auch das große Außengelände, ein Erfahrungsfeld zur Erklärung und Entfaltung aller menschlichen Sinne. Entlang vieler verschiedener Stationen konnten die Kinder und Jugendlichen im Laufe des Tages auf Entdeckungsreise durch die von den verschiedenen Sinnen vermittelte eigene Wahrnehmung gehen. Dabei wurden Fragen behandelt wie z.B. :
- Wieso sehe ich etwas, was gar nicht sein kann?
- Kann man Klang sehen?
- Wie schaue ich in die Welt – wie schaut die Welt auf mich?
Zum Auftakt des medizinischen Teils stellte Frau PD Dr. S. Redler (Institut für Humangenetik Bonn) vorläufige Befunde ihrer gemeinsamen genetischen Studie mit Fr. Dr. A. Christiano (USA) vor. Auf dem riesigen Bereich der HLA-Region des menschlichen Genoms konnten 4 spezifische Regionen für Alopezia Areata identifiziert und der Status als Autoimmunerkrankung bestätigt werden. Vor diesem Hintergrund interessierte im Rahmen der folgenden Diskussion viele besorgte Eltern, ob es schon möglich sei, das Risiko für den Ausbruch der AA bei ihren Kindern testen zu lassen. Diese nur allzu verständliche Frage musste Fr. Dr. Redler – vorläufig – noch verneinen, weil eben doch noch nicht alle Faktoren und Cofaktoren bekannt sind, vor allem noch nicht deren Regulation im Körper.
Der Bonner Doktorand Herr Julian Hußmann knüpfte daran an mit der Vorstellung seiner Studie zu einem noch weitgehend unberücksichtigten Aspekt der AA, nämlich ihrem Einfluss auf das kindliche Wachstum. Dabei soll erforscht werden, ob die eher gefühlsmäßige Beobachtung, dass manche betroffenen Kinder in Größenwachstum und Entwicklung leicht zurückbleiben, in ursächlichem Zusammenhang mit der AA steht. Auch daran war das Interesse vieler Familien sehr groß, so dass Herr Hußmann anschließend etliche Teilnehmer rekrutieren und ihnen in einem der angemieteten Seminarräume gleich Hilfestellung beim Ausfüllen der Erfassungsbögen geben konnte.Das Gründungsmitglied des AAD, Prof. Dr. G. Lutz (Wesseling), stellte ein weiteres Forschungsprojekt vor, in dem er in Zusammenarbeit mit der Uniklinik Münster (Prof. Paus) plant, die Immunologie der AA weiter zu entschlüsseln.
Besonders gespannt wartete das Plenum aber auf seine Informationen zu zwei neuen Medikamenten (die YAK-Inhibitoren Ruxolitinib und Tofacitinib), welche im Sommer 2014 durch Veröffentlichungen in Online- und Printmedien große Hoffnungen auf rasche Therapiemöglichkeiten weckten. Was sich in der ersten kurzen Stellungnahme auf der Homepage des AAD schon angedeutet hatte, wurde von Prof. Lutz ausführlich untermauert und belegt, indem er den experimentellen Charakter und die Schwächen der zugrundeliegenden Studien bzw. Einzelfallberichte eindrucksvoll erklärte. Darin waren einigen Patienten tatsächlich Haare nachgewachsen; nachdem er aber auch ausführlich das Nebenwirkungsprofil der Substanzen dargestellt hatte, wurden allen sehr schnell die Gefahren klar.
Aus einem Menschen ohne Haare – aber kerngesund! – könnte allzu schnell ein Mensch mit Haaren – aber lebensbedrohlich krank! – werden (Blutbildveränderungen, erhöhte Anfälligkeit für Infektionen wie Tuberkulose und erhöhtes Tumor-Risiko, speziell Lymphome).
Dazu käme, dass ein möglicher Einsatz der extrem teuren Substanzen (Therapiekosten im 5-stelligen Bereich!) radikal außerhalb ihrer Zulassung und damit ohne Chance auf Erstattung wäre.
In der anschließenden lebhaften Diskussion unterstrich die frühere 1. Bundesvorsitzende Kerstin Zienert , die bei einem der Hersteller (Novartis) konkret angefragt hatte, dass auch die Pharmakonzerne selbst einen versuchsweisen Einsatz strikt ablehnen.
In zahlreichen Einzelgesprächen im Lauf des Tages zeigte sich, dass die bunte Mischung aus Update der medizinischen Forschung und kritischer Bewertung der ohnehin wenigen Therapieoptionen gerade von den zahlreichen neuen Gesichtern unter den CT-Teilnehmern sehr dankbar aufgenommen wurde.
Der Tagesablauf war aber nicht nur geprägt von der Wissenschaft auf hohem Niveau, sondern wurde aufgelockert durch eine ausführliche Mittagspause und mehreren Kaffeepausen. Zeit, die nicht nur zur Stärkung und zum weiteren gegenseitigen Austausch genutzt wurde, sondern auch besonders zum Besuch der Firmenstände, bei denen hochwertige Perückenmodelle und Zubehör getestet werden konnten.
Wir danken für ihre tatkräftige Unterstützung den Firmen:
- Follea Germany GmbH, München/Münster
- Gesellschaft für Haarästhetik, Fürth
- Haare nach Wunsch, Nürnberg
Besonders gut angenommen wurde von allen Teilnehmern -neben der Kinderbetreuung- auch das Programm an Gesprächskreisen und Workshops, in denen es neben Sorgen und Nöten vor allem um die alltäglichen praktischen Aspekte des Lebens mit AA ging. Dafür wurde der Bogen gespannt von Hilfestellungen für frisch Betroffene über Farb- und Stilberatung bis hin zu praktischen Tipps und Übungen im Umgang mit geklebten Wimpern:
- Farbmeditation mit der Ganzheitlichen Farb- und Stilberaterin Andrea Sobiech
- Neu betroffen – „Was passiert mit mir?“ (Agnes Eckert)
- Tücher binden am Kopf (Gesellschaft für Haarästhetik)
- Tipps und Tricks für gutes Aussehen und mehr Selbstbewusstsein – der Umgang mit Wimpern (Alexandra Herrmann und Sonja Haag)
- Pflege und Styling von Echthaarperücken (Follea)
- Bindetechniken von Tüchern am Hals: Spiel mit Form und Farbe (Andrea Sobiech)
- Wie werde ich Ansprechpartner u./o. OrtsgruppenleiterIn (Claudia Stenders)
- Offene Schminkgruppe (max. 3 Personen gleichzeitig) mit der ganzheitlichen
- Farb-und Stilberaterin Andrea Sobiech
- Perücken und Krankenkasse – geht das??? (Kerstin Zienert)
- Selbsterfahrungskurs „Entspannung mit oder durch Farben“ (Andrea Sobiech)
- „Wie lebe ich mit der Alopecia areata meinen Alltag“(Agnes Eckert)
- Gesprächskreis für Eltern betroffener Kinder (Federico Lopez Martinez)
Wieder waren es diejenigen, die zum ersten Mal zum CT kamen, die besonders von diesen Programmpunkten profitierten, weil sie hier nicht nur von den Moderatoren, sondern auch von den lange Betroffenen und erfahrenen Leidensgenossinnen viel Halt und Stütze bekamen.
An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Christina Grünter als “Koordinationszentrale“, die während der gesamten Veranstaltung am Info-Stand des AAD unermüdlich Fragen beantwortete und manche ratlos Umherirrenden zu den unterschiedlichen Seminarräumen navigierte.
Nach einem gemeinsamen Abendessen trafen sich später alle noch in lockeren Runden, um sich über die vielen Themen und Eindrücke auszutauschen oder um einfach einen anstrengenden Tag bei einem Schlummerbier oder -wein gemütlich ausklingen zu lassen.
Sonntag:
Für die Vereinsmitglieder begann der Tag gleich mit der jährlichen Mitgliederversammlung; der Vorstand stellte Kassen- und Rechenschaftsbericht vor und berichtete über zahlreiche Aktivitäten im Jahresverlauf. Lebhaft wurde über Aspekte des Datenschutzes bezüglich unserer Homepage diskutiert. Als besonderes Highlight stellte sich Isabel van den Hoogen für die neu geschaffene Funktion der Jugendwartin zur Verfügung.
Nach der Versammlung gab es einen letzten Block mit Workshops und einen abschließenden Gesprächskreis. Dabei machten wir wie schon in den Vorjahren die Erfahrung, dass dieser ganz besonders den Nerv der anwesenden Familien getroffen hat. In vertraulicher Runde, konnten dabei Erfahrungen und Erlebnisse ausgetauscht werden, vor allem aber wertvolle Tipps für den Umgang mit der AA weitergegeben werden.
Zum Abschluss eines gelungenen Wochenendes mit über 150 Teilnehmern lag sich Groß und Klein beim Abschiednehmen in den Armen, um voller Eindrücke und frisch gestärkt für den Alltag wieder nach Hause zu fahren.
Ein herzlicher Dank für die finanzielle Unterstützung geht an den BKK-DV und an alle fleißigen Helfer vor und hinter den Kulissen, ohne deren ehrenamtliches Engagement eine solche Veranstaltung nicht möglich wäre.
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